Berichte 2008

Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2008

31. Juli -2. August 2008 | Strobl/Wolfgangsee

 

 

Von der Unausweichlichkeit, sich der Zukunft zu stellen: Wissenschaft und Praxis diskutieren Globalisierungsphänomene beim Sommerdiskurs am Wolfgangsee
Mag. Caroline Mokrejs

EU-Umweltpolitik beim Sommerdiskurs 2008 in Strobl
Mag. Elisabeth Kossarz und Mag. Alexander Pichler

Von der Unausweichlichkeit, sich der Zukunft zu stellen: Wissenschaft und Praxis diskutieren Globalisierungsphänomene beim Sommerdiskurs am Wolfgangsee

Mag. Caroline Mokrejs

 

„Transformationen – Herausforderungen des Globalen Wandels“: Unter diesem Motto fand heuer zum ersten Mal der von Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel initiierte „Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur“ der Universität Wien vom 31. Juli bis zum 2. August in Strobl am Wolfgangsee statt.
Auf dem Programm der dreitägigen Veranstaltung, die im Rahmen der – nunmehr zum 60. Mal stattfindenden – internationalen „Sommerhochschule“ der Universität Wien organisiert wurde, standen Vorträge internationaler Top-Experten aus verschiedensten Fachbereichen sowie zwei Workshops.

Den Anfang der mehrtägigen Vortragsreihe und einen gelungenen Einstieg in das facettenreiche Thema „Transformationen“ schuf Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Arnulf Grübler von der Yale University sowie dem International Institute for Applied System Analysis mit der Präsentation „Klimawandel und Transformationen globaler Energiesysteme“. Als einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Technologiesysteme und unter anderem Mitglied des von der UNO initiierten Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), welches mit dem letztjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, gelang es Arnulf Grübler, den ZuhörerInnen das Phänomen „Klimawandel“, seine Ursachen und seine jetzigen sowie möglichen zukünftigen Auswirkungen anschaulich verständlich zu machen.

 

Klimawandel: beunruhigende politische Implikationen

Bei aller Komplexität der Materie und unvermeidlicher Unsicherheitsmargen konnten die ZuhörerInnen doch einige durchaus beunruhigende „Messages“ mitnehmen: Der menschliche Anteil an der Klimaerwärmung ist unbestreitbar, ebenso ist davon auszugehen, dass gegenüber der vorindustriellen Zeit mit einem weiter andauernden Erwärmungsprozess von mindestens 1,5 Grad Celsius zu rechnen ist und dass dies erhebliche Probleme für die Menschheit schafft. Selbst wenn es heute bereits gelänge, die CO2-Emissionen auf Null zu setzen, würde es mehrere Jahrzehnte dauern, bis sich dies im Klima nachhaltig abbilden würde. Dass es eine solche Null-Emissionsgrenze geben muss, ist eigentlich nicht die Frage, sondern bloß wann diese erreicht werden wird und unter welchem politischem und gesellschaftlichen Leidensdruck. Pessimistisch stimmt in diesem Zusammenhang, dass die Auswirkungen des Klimawandels von Land zu Land durchaus unterschiedlich sind und tendenziell der reiche Norden damit viel besser umgehen kann als die Entwicklungsländer.

 

Gesucht: eine neue Techné im Sinne einer Kunst, Komplexität zu steuern

Ganz im Sinne der Interdisziplinarität dieser Veranstaltung wurden von Grübler nicht nur die naturwissenschaftlichen Möglichkeiten einer Klimastabilisierung angesprochen, sondern ebenso die dahinter stehenden politischen Mechanismen und Vorgehensweisen diskutiert. Gefordert ist dabei nicht nur das Erfinden neuer Technologien, sondern die Bemühung um eine gelungene „echné“ im Sinne der Kunst, für komplexe Probleme systemische Lösungsansätze zu finden, die gesellschaftlich, sozio-ökonomisch und politisch eingebettet sind.

 

Das Versagen des Rechts als Steuerungsinstrument: EU-Umweltpolitik und Technologiewandel als Beispiele

Am Nachmittag konnten die TeilnehmerInnen zwischen zwei, zuvor in Impulsreferaten vorgestellten, Workshops wählen. Zum einen sollte durch die Politikwissenschafterin Univ.-Prof. Dr. Andrea Lenschow (Universität Osnabrück) die EU-Umweltpolitik und ihre Funktionsweise näher betrachtet werden, während Thema des zweiten Workshops des Experten für Informationsrecht Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó (Universität Hannover) der „Technologische Wandel“ war. In der zweiten Arbeitsgruppe wurde unter der Leitung von Nikolaus Forgó die rasante Entwicklung des Internets besprochen, sowie die Problematik der zunehmenden Bereitstellung von Informationen auch über Privatpersonen und den daraus folgenden Einfluss auf unsere Gesellschaft und sogar  auf den Arbeitsmarkt diskutiert. Anhand einiger konkreter Beispiele wurden mögliche Lösungsansätze für das Optimieren von Datensicherheit, sowie das Problem des „ewigen Gedächtnis“ des Internets, nämlich die Speicherung aller übermittelten Daten, erarbeitet und diskutiert. Die Wortmeldungen und Resümees beider Workshops wurden anschließend in gemeinsamer Runde von einigen TeilnehmerInnen vorgestellt.

 

Fassmann: Nicht die Zuwanderung ist das Problem, sondern deren (fehlende) Akzeptanz

Zu Beginn des zweiten Tages hielt Univ.-Prof. Dr. Heinz Fassman, Dekan der GeowissenschaftlichenFakultät der Universität Wien, einen eindrucksvollen Vortrag mit dem Titel „Migration und Bevölkerungsentwicklung in Europa“. Besprochene Themenkomplexe waren vorwiegend die „Überalterung“ der europäischen Gesellschaft, die äußerst niedrige Fertilitätsrate sowie Migration und ihre gesellschaftliche Akzeptanz. Es wurde nicht nur der demographische Aspekt behandelt, sondern genauso die soziologischen und politischen Facetten aufgezeigt.

Fassmann machte deutlich, dass Europa seit 1960 zu einem Einwanderungskontinent wurde und dass dies nicht nur ein Beweis für den Erfolg des europäischen Integrationsprozesses, sondern auch pro futuro Voraussetzung für weiteres Wirtschaftswachstum ist. Das Problem der Zuwanderung stellt dabei nicht die Migration als solche, sondern deren Akzeptanz in der Gesellschaft dar. Diese wiederum setzt die aktive Bemühung um Integration der ZuwanderInnen voraus, zu warnen sei hingegen vor der Schaffung abgeschotteter kultureller Enklaven einzelner Zuwanderergruppen.

 

Förderung der Akzeptanz von Migration durch Integration, aber auch eine „Anti Aging Policy“

Das Problem der „Überalterung“ der europäischen Bevölkerung kann nach Fassmann zumindest in dreierlei Hinsicht angegangen werden: Zum einen durch die Erkenntnis, dass „Altersgrenzen“ in Europa flexibler gesehen werden sollten. Wann ein Mensch als „alt“ gilt, ist gesellschaftlich festgelegt, gewachsene Altersgrenzen müssten dementsprechend im Lichte massiv gestiegener Lebenserwartungen revidiert werden. Zuwanderung wiederum könnte die niedrigen Geburtenraten kompensieren. Dabei wäre allerdings für einen nachhaltigen Effekt eine massive Erhöhung der Einwanderung nötig, je nach Szenario und Ziel würde dies bis zu einer Verdreifachung des Wertes der Zuwanderung in den letzten vierzig Jahren erfordern. Der dritte Ansatz schließlich besteht in einer „pronatalistischen“, d.h. die Zahl der Geburten fördernden Politik, für die Einmalzahlungen und Sozialtransfers allein keineswegs ausreichen, sondern eine gesamtgesellschaftlich positive Einstellung sowie die begleitende umfassende Infrastruktur nötig wäre.

 

Sprache und  Migration

In der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen die Beauftragte für Migration und Integration der Bundeswirtschaftskammer MMag. Margit Kreuzhuber, der deutsche Migrationssoziologe Univ.-Prof. Dr. Michael Bommes (Universität Osnabrück) sowie der auf Fragen der Interkulturalität spezialisierte Germanist MMag. Dr. Johann Georg Lughofer (Universität Ljubljana) teil, um diesen demographischen Themenkomplex besonders im Lichte ihrer eigenen Fachbereiche aufzuarbeiten. Großen Raum nahm dabei die Diskussion von linguistischen Aspekten ein, etwa die Bedeutung des Sprachenerwerbs für eine geglückte Integration von ZuwanderInnen, aber auch schon die konzeptionelle Erfassung von Migrationsphänomenen durch sprachliche Festsetzungen. Auch die Notwendigkeit einer positiven Konnotation von Migration in der Gesellschaft für das Integrieren Zugewanderter wurde am Beispiel Kanadas von den DiskutantInnen hervorgehoben.

 

Nowak: Weltgerichtshof für Menschenrechte vielleicht schon in fünf Jahren?

Nachmittags sprach der UNO-Spezialberichterstatter für Folter Univ.-Prof. Dr. Manfred Nowak (Universität Wien) über „Menschenrechte und Globalisierung“ und gab so den nötigen „Input“ für die darauf folgende lebhafte Diskussion. Ausgehend von der beginnenden Internationalisierung der Menschenrechte als Folge des 2. Weltkriegs zeichnete Nowak die Entwicklungsgeschichte der Rechte und ihrer Schutzmechanismen nach und vergaß auch nicht darauf, einen Ausblick in die mögliche Zukunft und Impulse für die Anforderungen an die Politik des 21. Jahrhunderts zu geben. In der Diskussion zeigte sich Nowak optimistisch, dass die Globalisierung eine Weiterentwicklung des universellen Menschenrechtsschutzes erfordere und dass in gar nicht so ferner Zukunft, vielleicht schon in fünf Jahren ein „Weltgerichtshof für Menschenrechte“ geschaffen werden könne.

 

Globalisierung und die Ausbildung der JuristInnen

Den Abschluss der Veranstaltung bildete der Vortrag unter dem Titel „Globaler Wandel – und die Jurisprudenz?“ in dem Univ.-Prof. Dr. Paul Oberhammer (Universität Zürich) zum einen auf die Probleme und den Umgang mit zahlreichen nationalen Rechtstraditionen in der internationalen Praxis einging und zum anderen auch nicht auf das Problem des zunehmenden Prestigeverlustes der Rechtswissenschaft in der akademischen Welt vergaß. Ein von Oberhammer angesprochener Aspekt, nämlich die „Krise“ der Juristenausbildung und der „Rekrutierung“ des akademischen Nachwuchses, sorgte in der anschließenden Podiumsdiskussion für zahlreiche impulsgebende Wortmeldungen, an der sich – unter der Moderation von Franz-Stefan Meissel – Gen.Dir. Dr. Josef Schmidinger (sBausparkasse), der Wirtschaftsanwalt Dr. Andreas W. Mayr, LL.M. (Columbia Univerisity) und a.o. Univ.-Prof. Dr. August Reinisch, LL.M. (NYU)  von der Abteilung für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Universität Wien beteiligten.

 

Reflexionen über Wanderung in Literatur und Musik: Barbara Frischmuth, Wiener Philharmoniker und Schubert-Szenen

Im Anschluss an die anschaulichen Präsentationen und äußerst angeregten Podiums- und Publikumsdiskussionen wurde den TeilnehmerInnen ein abwechslungsreiches Kulturprogramm geboten. Donnerstagabend spielte ein Streicher-Ensemble der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Daniel Froschauer ein von Gustav Mahlers Enkelin, Marina Fistoulari Mahler, angeregtes und gefördertes Kammerkonzert mit dem Titel „Philharmonischer Streifzug durch Europa“. Das Thema des Reisens und „Wanderns zwischen den Kulturen“ wurde tags darauf von Barbara Frischmuth in der Strobler Deutsch-Villa aufgenommen, die aus ihrem Roman „Vergiss Ägypten“ las. Als krönenden Abschluss des Kulturprogramms besuchten die TeilnehmerInnen die Salzburger Festspiele: auch hier war das Programm der Schubert-Szenen noch einmal vom Thema des Zerrissenseins und des „Zwischen-Zwei-Welten-Stehens“ gekennzeichnet.

 

Durch die Interdisziplinarität der Vortragenden und die Vielfalt der behandelten Themengebiete war der „Sommerdiskurs“ vor der Kulisse der malerischen Salzburger Seenlandschaft für die TeilnehmerInnen ein herausragendes Erlebnis, wobei es nicht an inspirierenden Denkanstößen und belebten Diskussionen mangelte. Zu danken ist den Sponsoren (sBausparkasse, Freshfields Bruckhaus Deringer) sowie den Kooperationspartnern (Die Presse, Manz, Dorda Brugger Jordis, Gemeinde Strobl und Wirtschaftskammer Österreich) diesen erst- und einzigartigen Dialog von Wissenschaft und Praxis ermöglicht zu haben!

EU-Umweltpolitik beim Sommerdiskurs Strobl 2008

Mag. Elisabeth Kossarz und Mag. Alexander Pichler

 

Der diesjährig erstmals abgehaltene Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2008 stand unter dem Thema „Transformationen – Herausforderungen des globalen Wandels“ und wurde vom 31. Juli bis 2. August 2008 in Strobl am Wolfgangsee veranstaltet.

Eingebettet in einen Rahmen aus multidisziplinären Vorträgen sowie einem abwechslungsreichen Kulturprogramm fand am Nachmittag des ersten Kongresstages zum Thema EU-Umweltpolitik ein Workshop unter der Leitung von Frau Univ.-Prof. Dr. Andrea Lenschow statt. Lenschow, geboren 1965 in Kiel, studierte an der Christian Albrechts Universität in Kiel, an der Pennsylvania State University (PSU) sowie an der New York University (NYU) und schloss ihre Studien mit dem Master in Public Administration und mit dem Master in Political Science sowie mit einem PhD in Political Science ab. Neben Postdoc-Positionen an der Erasmus-Universität in Rotterdam und am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz reicht ihre vita academica von der Tätigkeit als Universitätsassistentin an der Universität Salzburg bis hin zur Beschäftigung als Juniorprofessorin und schließlich seit März 2007 als Professorin für Europäische Integration (W3) am Fachbereich Sozialwissenschaften an der Universität Osnabrück.

Nach einem einführenden Impulsreferat, bei dem Prof. Lenschow einen historischen Überblick über die EU-Initiativen zur Schaffung einer europäischen Umweltpolitik bot, konstituierte sich eine Arbeitsgruppe von rund 20 TeilnehmerInnen, die sich zum Ziel setzte, alternative Steuerungsmechanismen zu den bestehenden Regelungsinstrumenten der EU herauszuarbeiten. Insbesondere in der EU-Umweltpolitik ist eine bemerkenswerte Entwicklung dahingehend festzustellen, dass erst in einer „responsiven Periode“ durch ein neues Bewusstsein über die transnationalen Wirkungen der Umweltverschmutzung eine Institutionalisierung innerhalb der EU-Organe erfolgte, für die schließlich in der Europäischen Einheitsakte eine explizite Vertragsgrundlage für Umweltpolitik geschaffen wurde. Erst zu Beginn der 90er-Jahre wurde ein Mehrheitswahlrecht für Umweltpolitik eingeführt und die Begriffe „nachhaltige Entwicklung“ sowie „Umweltintegration“ in der Präambel der EU-Verträge als Grundsätze der EU-Politik aufgenommen.

Zahlreiche offene Vertragsverletzungsverfahren im Bereich der Umweltgesetzgebung zeigen jedoch mannigfaltige Implementationsprobleme der EU-Richtlinien und -Verordnungen auf. Gründe, warum alternative Maßnahmen zur EU-Rechtsetzung im Bereich des Umweltrechts dringend notwendig erscheinen, sind neben Unvereinbarkeiten zwischen EU-Recht und nationalen Strukturen sowie unzureichenden administrativen und/oder finanziellen Kapazitäten auf nationaler Ebene nicht zuletzt ein fehlender politischer Wille, EU-Umweltgesetzgebung in nationales Recht zu transformieren. „Neue“ Instrumente stellen einerseits der Emissionshandel im Rahmen der EU-Klimapolitik sowie andererseits die Einführung von Ökolabels dar. Als Beispiele aus dem Bereich der Energieeffizienz und der THG-Reduktion wurden die ACEA-Vereinbarung zur Reduktion von CO2-Emissionen von PKWs sowie die EICTA-Selbstverpflichtung zur Energieperformanz von Unterhaltungselektronik erwähnt.

Der überaus informative und gelungene Workshop zum Thema Umweltpolitik schloss mit einer Diskussion ab, in der die Vor- und Nachteile von Alternativen zu den bestehenden Umweltrechtsmaßnahmen der EU erörtert und Lösungsansätze einer möglichen komplementären Kombination von verschiedenen Instrumenten auf EU-Ebene herausgearbeitet wurden. So stellen die notwendige Schaffung von alternativen Regulierungsmaßnahmen zur EU-Umweltpolitik und deren Sanktionierung wichtige Schritte dar, die durch gezielte Informationskampagnen innerhalb der EU-Mitgliedstaaten erreicht werden können und zur Antizipation vielfältiger Probleme im Bereich der Umwelt einen nicht unwesentlichen Beitrag leisten vermögen.