Bericht 2010

Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2010

4. August -6. August 2010 | Strobl/Wolfgangsee

 

Der Sommerdiskurs der Universität Wien fand heuer zum bereits dritten Mal in Strobl am Wolfgangsee, statt. Unter dem Titel "Generationenverantwortung und Nachhaltigkeit" präsentierten und diskutierten zahlreiche hochkarätige Vertreter aus der Praxis, wie auch ExpertInnen aus universitärer Forschung und Lehre ein breites Spektrum an hochaktuellen Themen.

 

Die Vortragsreihe wurde am ersten Tag, Mittwoch den 4.8.2010, von Univ.-Prof. Dr. Alexander von Gabain, dem bekannten Naturwissenschafter und Mitbegründer der erfolgreichen Biotech-Firma "Intercell", mit einer Präsentation zum Thema Innovationskultur als "Motor" des universitären Wissenschaftsbetriebs eingeleitet. Anhand des Beispiels der Intercell AG, eines Unternehmens, das aus dem universitären Umfeld heraus gegründet wurde und weiterhin eng mit der Universität Wien zusammenarbeitet, stellte er die seiner Meinung nach notwendigen Voraussetzungen für den Erfolg des universitären Wissenschaftsbetriebes und der effektiven Nachwuchsförderung vor. Die enge Verknüpfung von Wirtschaft und universitärer Forschung sei, vor allem im Bereich der Biotechnologie, unverzichtbar. Daher sollten Akademiker aus dieser Studienrichtung neben der fachlichen Kompetenz auch „Entrepreneurship“ vorzeigen können. Im Gegensatz zu den USA fehle es in Europa jedoch an dieser Orientierung sowohl an Wirtschaftlichkeit wie auch am praktischen Nutzen der Forschung.

Dieser Ansatz wurde natürlich bei den Podiumsgästen unterschiedlich aufgenommen. Vizerektor der Universität Wien Univ.-Prof. Dr. Heinz W. Engl betonte, dass auch die Universität Wien sich in ihrem neuen Karrieremodell für Nachwuchswissenschafter am amerikanischen System orientiere, da diese bis dato zu spät in der Forschung „selbständig“ geworden wären.

Mag.Dr. Siegfried Wadauer vom Institut für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte kritisierte vor allem, dass der praktische Nutzen nicht in allen Fächern eine Rolle spielen könne, wie auch, dass es an Investition in die Grundlagenforschung mangle.

Dr. Michael Stampfer, Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds bemängelte, dass im österreichischen System zu viel in die Anwendungsforschung von etablierten Unternehmern investiert werde, statt Unternehmungen junger Forscher zu fördern.

 

Am zweiten Tag des Sommerdiskurses stand das Thema der "alternden Gesellschaft" und ihre demographischen wie auch sozialrechtlichen Probleme im Fokus. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Mazal, Experte für Arbeits- und Sozialrecht, sprach in seinem Vortrag über die sozialrechtlichen Aspekte unserer „alternden Gesellschaft“. Die derzeit inhomogene Situation, in der vor allem die junge Generation in naher Zukunft mit der Erhaltung der alternden Baby-boom-Generation konfrontiert sein wird, stellt eine Herausforderung sowohl für Gesetzgeber wie auch für Gesellschaft dar.

Die darauffolgende Diskussion mit den Podiumsteilnehmern war vor allem durch die unterschiedliche Bewertung der derzeitigen und zukünftigen Situation bestimmt. Dr. Thomas Preiss, Kabinettschef im Arbeitsministerium, wies darauf hin, dass die beiden im öffentlichen Diskurs häufig vertretenen Extrempositionen, die einerseits von einer Massenverarmung der Pensionisten“ andererseits von der „untragbaren Last der Jungen durch die ältere Generation“ sprechen, nicht stimmen.

Mag. Gerhard Hesse, Sektionschef im BKA und Leiter des Verfassungsdienstes, machte vor allem auf die praktischen Schwierigkeiten der Sozialrechtsgesetzgebung durch die Kompetenzaufteilung dieses Bereichs auf Bund und Länder aufmerksam.

Univ.-Prof Dr. Walter Schrammel betonte die Wichtigkeit der Neuorientierung und der Möglichkeit zum Berufswechsel für ältere Menschen, um einen Anstieg der Bezieher einer Invalidenpension zu vermeiden.

 

Am Nachmittag wurde dieser Themenbereich durch den Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Rainer Münz, Leiter der Forschungsabteilung der Erste-Group-Bank AG und Senior-Fellow am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut, unter dem Titel „Demographischer Wandel als Herausforderung für die Sozialpolitik“ weiter vertieft. Die beiden Phänomene, die „steigende Lebenserwartung“, welche seit 170 Jahren in Prognosen immer unterschätzt wurde, und die „sinkende Kinderquote pro Frau“ haben ein steigendes Durchschnittsalter, also eine demographische Alterung der Gesellschaft zur Folge.

Dr. Josef Wöss, Leiter der Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer, machte darauf aufmerksam, dass nicht nur die Lebenserwartung, sondern auch die Finanzierbarkeit des Sozialstaates in der Vergangenheit falsch vorhergesagt wurde. Die demographische Entwicklung alleine spiele keine Rolle, sondern müsse in Verbindung mit der Produktivität der Erwerbstätigen gesehen werden. Dass diese Problematik auch im öffentlichen Dienst eine Rolle spiele, bestätigte Mag. Angelika Flatz, Sektionschefin der Sektion Öffentlicher Dienst und Verwaltungsreform im BKA, die in diesem Zusammenhang auf die Konsolidierung des Personalstandes als Ziel des Regierungsprogrammes aufmerksam machte.

Dr. Martin Gleitsmann, Abteilungsleiter der WKO, kritisierte, dass es kein OECD-Land gebe, das durch Zuwanderung so wenig qualifizierte Arbeitskräfte ins Land hole wie Österreich.

 

Den letzten Tag des Sommerdiskurses leitete ein hoch informativer Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Susanne Kalss von der Wirtschaftsuniversität Wien ein, die über "die Verantwortlichkeit von Vorstand und Aufsichtsrat im Lichte der Nachhaltigkeitsdiskussion" sprach. Mit Bezug auf die sich in den letzten Jahren häufenden Verfahren wegen Pflichtverletzung durch Vorstände und Aufsichtsräte großer österreichischer Unternehmen legte Prof. Kalss die Hauptpflichten dieser Organe dar, die sich vor allem auf die Sicherung des Bestands des Unternehmens und seiner Marktpositionierung beschränke.

In der nachfolgenden Diskussion kamen Vorstände und Mitglieder von Aufsichtsräten zu Wort. Mag.Dr. Heimo Scheuch, Vorstandsvorsitzender der Wienerberger AG, sprach sich für eine Förderung der Ethik in der Wirtschaft statt einer Überregulierung aus, die durch Transparenz (zum Beispiel Offenlegung der Managergehälter) und Nachhaltigkeit geprägt sein sollte.

Dipl.-Ing. Isabelle Kossina, Geschäftsführerin der Beteiligungsmanagement GmbH, zeigte an Hand dieses Unternehmens, wie eine nachhaltige Unternehmensführung aussehen könne.

Univ.-Prof. Dr. Heinrich Honsell, Professor emeritus der Universität Zürich, wies auf die beunruhigende Tendenz hin, dass Strafrechtler strenger vorgehen würden als Zivilrechtler, obwohl es ihnen in diesem Bereich überwiegend an der fachlichen Kompetenz mangle.

 

Am Nachmittag wurden konkrete Projekte der Nachhaltigkeit in Wirtschaft und Kultur an Hand interessanter Impulsreferate präsentiert. So sprach Gen.-Dir.Dr. Josef Schmidinger, Vorstandsvorsitzender der s-Bausparkasse über "Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft“. Er betonte, dass Geld nur den Tausch in der Realwirtschaft unterstützen solle, nicht aber ein Instrument sei, um eigene Wirtschaftskreisläufe zu schaffen.

Im Anschluss daran hielt Dfkm. Peter Püspöck, Konsulent der Raiffeisen-Landesbank NÖ-Wien und Vorsitzender der Oikokredit Austria, einen Vortrag über Mikrokredite und soziale Verantwortung und wies darauf hin, dass das Phänomen der "Kredithaie", welche Kredite zu übermäßig hohen Zinsen vergeben, nicht nur anlässlich der Erfindung der Mikrokredite ein wichtiges Thema gewesen sei, sondern auch leider heute noch unter dem „Deckmantel Mikrokreditgeber“ ein schwerwiegendes Problem darstelle.

Das anschließende Impulsreferat vom Geschäftsführer der MODAL GmbH, Dr. Michael Gruber, welcher auch Vorstandsmitglied von Fairtrade Austria ist, betonte, dass es einen bedeutenden Nachteil darstelle, keine Ethik für die globale „community“ zu haben. Ethische Wertungen seien immer noch zu stark mit den Interessen der einzelnen Nationen verknüpft.

Unter dem Titel "Kulturmanagment und Nachhaltigkeit" befasste sich sodann Dr. Paul Frey, kaufmännischer Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums, mit diesem Thema. Er hob hervor, dass Kunst und Kultur die Nachhaltigkeit in sich tragen, weil sie durch verschiedenste Zeiten hindurch den Bezug von Vergangenem auf Gegenwärtiges herstellen und dadurch immer zeitgemäß sein können.

Dr. Arnd Haller, Leiter der Rechtsabteilung von Google Deutschland sprach über „Cloud, Google und Umwelt“ und wies auf Möglichkeiten, den hohen CO2-Ausstoß einzudämmen hin. Das Referat von Thilo Huys widmete sich Fragen der Ökologie in der Informationstechnologie und dem Thema "Green IT". Er brachte hier mit ein, dass der Energieverbrauch der Geräte und die Anwenderfreundlichkeit eine große Rolle spielen können.

 

Die Veranstaltung in der malerischen Umgebung des Wolfgangsees bot nicht nur brisante Diskussionen über hochaktuelle Themen, sondern auch ein breit gefächertes kulturelles Programm. Den ersten Abend der Vortragsreihe beschloss eine Filmvorführung von "Long Street", einem derzeit in Kinos und Festivals präsentierten südafrikanischen Film, an deren Anschluss der ebenfalls in Südafrika lebende österreichische Produzent Dr. Florian Schattauer bereitwillig Fragen entgegen nahm.

Am zweiten Tag wurde eine hochwertige Reproduktion von Parmigianinos "Bogenschnitzender Amor" von dem Kunsthistoriker Mag. Daniel Uchtmann, Kunsthistorisches Museum, Abteilung Führungen und Veranstaltungen, präsentiert und in einem lebendig vorgetragenen Referat Einblicke in Geschichte und Interpretation des Werkes gewährt. Den Schluss des zweiten Tages bildete ein Kammerkonzert mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker.

Am letzten Tag des Sommerdiskurses las der in Wien lebende Schriftsteller Dr. Dimitré Dinev aus seinen Werken "Engelszungen" und "Ein Licht über dem Kopf" und stellte sich in einem intensiven Publikumsgespräch den Fragen seiner Leser.