Berichte 2019
Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2019: Europe in Transformation - Carry on? Re-think? Re-invent?
31. Juli -2. August 2019 | Strobl/Wolfgangsee
Eröffnungsvorträge - Mittwoch 31. Juli 2019
Emanuel Lerch
Organizing for the Digital Age - Donnerstag, 1. August 2019
Sabina Ritter
European Digital Markets in Transition - Freitag, 2. August 2019
Katharina Auernig
Eröffnungsvorträge - Mittwoch, 31. Juli 2019
Emanuel Lerch
Der diesjährige Sommerdiskurs in Strobl widmete sich dem Themenkomplex „Europe in Transition – Carry on? Re-think? Re-invent?“. Nach Eröffnung der dreitägigen Veranstaltung durch Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó am Abend des 31.7.2019 hielten Univ.Prof. Dr. Thomas T. Jaeger und Univ.-Prof. Dr. Sylvia Kritzinger die Eröffnungsvorträge.
Thomas Jaeger leitete seine Ausführungen zu „Rethinking Europe“ mit einigen der großen Fragen der „Future of Europe“-Debatte ein, die durch das Brexit-Referendum ins Zentrum rückten: Wo liegen die (territorialen) Grenzen Europas? Aufgrund welcher Merkmale soll das Wachstum Europas vorangetrieben werden? Folgt aus den Entwicklungen der letzten Jahre, dass die europäische Integration beendet oder zumindest neu gedacht werden sollte?
Einige Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Fragen liefert die als „revolutionär“ eingestufte jüngere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, anhand derer sich einige Trends nachzeichnen lassen. Einerseits war der EuGH sehr aktiv in der Auslegung der in Art 2 EUV festgelegten Werte, allen voran jenem der Rechtsstaatlichkeit. Andererseits stärkte die Rechtsprechung den horizontalen Effekt der Europäischen Grundrechte. Schließlich wurde anhand der Entscheidung Rimšēvičs gezeigt, dass sich eine neue, stärkere Form der Supranationalität abzeichnet.
Neue empirische Daten des Instituts für Staatswissenschaft der Universität Wien zu ähnlichen gelagerten Fragestellungen präsentierte Sylvia Kritzinger in ihrem Vortrag „European Citizens and the Future“. Die Daten konnten einigen Ängsten und Befürchtungen entgegenwirken, die aktuelle Diskurse zur Europäischen Integration prägen. Trotz zahlreich identifizierter Krisen der Europäischen Union scheint das Bild gegenüber der EU nämlich ein positives, jedenfalls ein wohlgesinntes zu sein.
Kommentiert wurden die beiden Vorträge schließlich von Hon.-Prof. Univ.-Doz. Dr. Bernhard Schima, LL.M der an ein an diesem Abend schon mehrfach erwähntes Zitat Robert Schuman’s erinnerte: „Europe will not be made all at once, or according to a single plan. It will be built through concrete achievements.“ Die zentrale Herausforderung sei es nun, Klarheit darüber herzustellen, worin diese Leistungen bestehen sollen.
Im Anschluss an die interessanten Vorträge bestand die Möglichkeit zum weiteren Austausch bei einem Glas Wein im Seehaus.
Organizing for the Digital Age - Donnerstag, 1. August 2019
Sabina Ritter
Der Donnerstagnachmittag des diesjährigen Sommerdiskurses stand unter dem Titel „Organizing for the Digital Age“. Keynote speaker Dr. Roland Deiser, Executive Director am Center for the Future of Organization an der Drucker School of Management der Claremont Graduate University, ließ die TeilnehmerInnen an seiner langjährigen Erfahrung in der strategischen Organisationsentwicklung teilhaben. In seiner Präsentation benannte er jene zentralen Herausforderungen, vor welchen ein Unternehmen im Zeitalter der Digitalisierung in Sachen Organisation steht und beschrieb die Paradigmenwechsel, welche sich zwischen dem 20. und 21.Jahrhundert vollzogen haben. Er betonte u.a. die Wichtigkeit von Flexibilität und Reaktionsfähigkeit, die ein „schlankes Unternehmen“ erfordern. Das Innehaben großer Mengen von physischen Vermögenswerten sei heute nicht mehr wünschenswert, sondern vielmehr eine große Last für das Unternehmen, die es träge mache. Problematisch sei in diesem Zusammenhang – so Deiser – der Hang des Menschen, alte Besitztümer um jeden Preis behalten zu wollen und nicht loszulassen. Auf Unternehmensebene führe dieses Verhalten auf Dauer zur Überbelastung.
Weiters brauche ein Unternehmen auch in struktureller Hinsicht eine agile Architektur, um kontinuierlichem Wandel adäquat begegnen zu können. Agile Strukturen erlauben es – so Deiser –, sich für unterschiedliche Projekte immer wieder neu zu formieren, aufzulösen und zu ordnen. Er spricht in diesem Zusammenhang vom „Hollywood-Modell“. Schließlich bedeute jede Filmproduktion ein Aufeinandertreffen und vorübergehendes Zusammenarbeiten immer wieder anderer Akteure – Schauspieler, Regisseure, Maskenbildner etc –, ohne dass „langfristige Bindungen“ eingegangen würden.
Im Anschluss an das Impulsreferat folgte eine Podiumsdiskussion unter der Moderation von Dr. Kristin Hanusch-Linser, Executive Advisor im Bereich Transformation, Agile Leadership und Brand-Positioning sowie Vice President der International Advertising Association. Neben Dr. Roland Deiser besetzten das hochkarätige Podium Mag. Michaela Burger, Senior Vice President für Transformation, Innovation und Strategy bei Swarovski, Mag. Waltraud Kaserer, Vice President für Corporate Communications & Investor Relations bei der Lenzing Group, und Michael Winter, Head of Marketing, Communications & International Affairs bei der Rail Cargo Austria AG. Nacheinander berichteten die Referenten, inwiefern „organizing for the digital age“ in den jeweiligen Unternehmen stattfindet.
Während Mag. Burger u.a. über den Abbau von Hierarchien, die Einführung von growth boards sowie die neue Einsatzmöglichkeit von 3D-Glasdruck neben der konventionellen Glasherstellung bei Svarovski sprach, setzt die Lenzing Gruppe, wie Mag. Kaserer berichtete, künftig insbesondere auf die Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks. Ziel der neuen Klimastrategie sei es, bis zum Jahr 2050 netto kein CO2 mehr zu emittieren. In eine ähnliche Richtung geht die Rail Cargo Group, die gemeinsam mit zahlreichen weiteren Mitgliedern der gesamteuropäischen Initiative „Rail Fright Forward“ auf die Vorzüge von Schienengüterverkehr gegenüber Straßengüterverkehr in Sachen Nachhaltigkeit, Verkehrssicherheit und Infrastrukturkapazität aufmerksam macht. Als Klimabotschafter fungiert dabei NOAH’s TRAIN, das „längste mobile Kunstwerk zum Schutz des Klimas“. Ziel des Projekts ist es, den Frachtverkehr verstärkt von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Konkret soll durch Rail Freight Forward der Anteil der Schiene an Gütertransporten in Europa bis 2030 auf 30 % steigen.
European Digital Markets in Transition - Freitag, 2. August 2019
Katharina Auernig
Am Freitag, 02.08.2019, war der Vormittagsblock dem Thema „European Digital Markets in Transition“ gewidmet. Unter der Moderation von Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó lieferten zunächst Dr. Peter Köppl (Mastermind Public Affairs Consulting) und Dr. Klaus Steinmaurer, MBA (Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH) zwei durchaus kontroverse Impulsreferate, in denen der Wettlauf um neue wirtschaftliche Ideen einerseits und das Bedürfnis nach Regulierung des Wettbewerbs andererseits aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wurden. Peter Köppl stellte dabei zunächst fünf globale Trends vor, die Raum für Innovationen bieten; wobei sich diese Innovationen oftmals schneller entwickeln, als die Politik auf sie reagieren kann. Klaus Steinmaurer, der sich aufgrund seines beruflichen Hintergrundes insbesondere Regulierungsfragen in der Telekommunikationsbranche widmete, beschrieb aktuelle Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen Liberalisierung und Regulierung. Letztendlich sind auch auf Regulierungsseite der zeitliche Vorsprung bzw die rasche Reaktion auf neue Marktentwicklungen zentrale Elemente.
Im Anschluss an die Impulsreferate samt Podiumsdiskussion fanden parallel fünf Workshops statt, die sich mit den Themen „5G" (Mag. Marielouise Gregory), „Media“ (Dkfm. Helmut Hanusch), „AI/Robotics“ (Dr. Alexandra Kunesch, BA) sowie „Law" (Mag. Sophie Martinetz) beschäftigten.
Im Workshop über „AI/Robotics", der von der Autorin dieses Berichtes besucht wurde, wurde die Verwendung künstlicher Intelligenz in der Justiz zur Diskussion gestellt und dabei insbesondere das Spannungsverhältnis zur Wahrung prozessualer Grundrechte (Art 6 EMRK, Art 47 f EGRC, Art 87 B-VG sowie der allgemeine Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit) ausführlich debattiert. Zentrale Diskussionspunkte waren dabei die Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Richters sowie die (fragliche) Sicherstellung von Transparenz eines solchen Systems vor dem Hintergrund der Grundrechte auf ein faires Verfahren und Waffengleichheit. Schließlich wurde auch die grundrechtliche Garantie auf Zugang zum Recht in Fällen thematisiert, in denen eine mittels künstlicher Intelligenz durchgeführte Risikoanalyse den Kläger von der Erhebung einer Klage abhalten könnte, obwohl der Kläger nicht wissen kann, wie eine Richterin tatsächlich entschieden hätte. Die Verwendung künstlicher Intelligenz in der Justiz - etwa als Hilfsmittel für juristische Recherchen – bekam aber durchaus auch Zuspruch, wenngleich die finale Entscheidung nach Meinung der Diskutierenden stets einem richterlichen Organ vorbehalten bleiben sollte.