Berichte 2009

Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2009

6.-8. August 2009 | Strobl/Wolfgangsee

 

 

Sommerdiskurs 2009: Polis und Techne – Zur Steuerung von Systemwandel
MMag. Nina Flori

Sommerdiskurs 2009 der Universität Wien am Wolfgangsee
Dr. Julia Jungwirth

Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2009 in Strobl am Wolfgangsee
Mag. Heidemarie Mendel

Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2009
Mag. Caroline Mokrejs

Sommerdiskurs 2009: Polis und Techne – Zur Steuerung von Systemwandel

MMag. Nina Flori

Strobl/Wolfgangsee. Zu den größten Herausforderungen unserer Zeit gehören sicher Klimawandel, die Zukunft der Energieversorgung, und die Finanzierung unseres Gesundheitssystems sowie die oft unbedachten Bedrohungen der Privatsphäre durch Cyberspace.
Wie aber lassen sich die dabei angesprochenen gesellschaftlichen Systemfragen, wie etwa die Raumordnung, die unumgänglich notwendig werdende Umstellung von Energiesystemen oder die Effizienzsteigerung des Wohlfahrtsstaates steuern? Welche Politikmodelle können uns helfen, das Funktionieren oder Nichtfunktionieren von Anpassungsprozessen besser zu begreifen? Das waren einige der Fragestellungen, die bei dem heuer zum zweiten Mal organisiertem Sommerdiskurs aus Recht, Politik und Kultur in Strobl am Wolfgangsee von Vertretern aus Wissenschaft und Praxis bei einem intensiven Gedankenaustausch diskutiert wurden.

Auf Einladung von Franz-Stefan Meissel, dem Direktor der Sommerhochschule der Universität Wien, die heuer ihr sechzigjähriges Bestehen feiert,  kamen vom 6. – 8. August  führende Experten und Expertinnen zusammen und sorgten mit spannenden und aufschlussreichen Thesen und Diskussionsbeiträgen für Betroffenheit und Nachdenklichkeit.

 

Von der Perplexität der Raumordnung im Kompetenzwirrwarr

Den Eröffnungsvortrag zum Thema „Probleme der Raumordnung in Österreich – Vorschläge für eine Neuorganisation“ hielt Heinz Fassmann, Professor für Angewandte Geografie, Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien. Dem Vortrag folgte eine lebhafte Podiumsdiskussion mit Georg Lienbacher, Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, Astrid Kratsch­mann, Prokuristin der sBausparkasse, Mag. Markus Seidl, Geschäftsführer der Österreichischen Raumordnungskonferenz, und Bundesrat und Bürgermeister von St. Wolfgang Johannes Peinsteiner.

 

Die Unvermeidlichkeit der Transformation der Energiesysteme im Lichte des Klimawandels

Donnerstagnachmittag sprach Arnulf Grübler - Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate Change, Wissenschafter am International Institute for Applied System Analysis und Professor an der School of Forestry and Environmental Studies der Yale University – über mögliche "Transformationen der Energiesysteme im Lichte des Klimawandels". Aufrüttelnd und desillusionierend zugleich vermittelte sein Vortrag: Klimawandel findet statt, jetzt geht es um Schadensbegrenzung.

 

Gegen die Unübersichtlichkeit und für mehr Ehrlichkeit und Effizienz im Öffentlichen Gesundheitssystem

Mit dem Vortrag "Wandel im Gesundheitssystem - ideal und real" sprach Robert Rebhahn, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien, höchst aktuelle Fragen der Finanzierung und der Qualitätssteigerung im öffentlichen Gesundheitssystem an. Bei der daran anknüpfenden Podiumsdiskussion "Wettbewerb im Gesundheitssystem", erörterten der Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit der WKO, Martin Gleitsmann, der Generalsekretär der Pharmig, Jan Oliver Huber, sowie der Leiter der Abteilung Sozialversicherungen der AK Wien, Helmut Ivansits, verschiedenste Aspekte dieses komplexen Themas.

 

Elektronische Gesundheitsdaten als Beispiel des Verlusts der Intimität im elektrischen Zeitalter

Einblicke in die aktuellen Problematiken des elektronischen Zeitalters gab Nikolaus Forgó Freitagnachmittag. Der Leiter des Instituts für Rechtsinformatik und des LL.M.- Lehrgangs für IT-Recht an der Universität Hannover sowie Leiter des Universitätslehrganges für Informationsrecht und Rechtsinformation an der Universität Wien, sprach zum Thema "Einatmen. Ausatmen. Vom Schutz der Intimität im elektrischen Zeitalter". In einer sehr anschaulichen Präsentation wies er die Teilnehmer auf die zahlreichen offenen Regelungsbereiche im Datenschutzrecht hin.

 

Interessen als Determinanten von Governance

Den Abschluss des Vortragsreigens bildete die Politologin Sylvia Kritzinger, Leiterin des Fakultätszentrums für Methoden der Sozialwissenschaften, die den Stellenwert von Interessen für die Frage der Art und des Erfolges von Governance im Hinblick auf Innovationspolitik erörterte. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten unter anderem der Rektor der Universität Wien, Georg Winckler, und der Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, Michael Stampfer, die jeweils anschaulich die von Kritzinger angesprochenen Politikfelder der Hochschul- und der Forschungsförderungspolitik kommentierten.

 

Philharmoniker mit „Wien bleibt Wien“ als Zugabe – und eine eindrucksvolle Anna Mitgutsch

Auch kulturell wurde beim Sommerdiskurs 2009 wieder Hochkarätiges geboten: Donnerstagabend stand ein Kammerkonzert eines Streicher-Ensembles mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Daniel Froschauer auf dem Programm.

Für ein Abtauchen in literarische Welten sorgte Freitagabend die Lesung von Anna Mitgutsch aus ihrem 2007 erschienenem Werk „Zwei Leben und ein Tag“. Beim gemeinsamen Abendessen im „Stroblerhof“ gab es die Gelegenheit, die Erfolgsautorin näher kennen zu lernen.

 

5000 Sommerhochschulteilnehmer aus der ganzen Welt seit 1949

Mit der 60-Jahr-Feier der Sommerhochschule der Universität Wien und einem Konzert der Gruppe „IrishSteirisch“ ging der Sommerdiskurs Samstagabend schließlich feierlich zu Ende. Rektor Winckler und Sommerhochschuldirektor Franz-Stefan Meissel gaben mit ihren Reden Einblicke in die Geschichte und Tradition der Sommerhochschule der Universität Wien, die seit 1949 über 5000 Studierende aus der ganzen Welt an den Wolfgangsee gebracht hat.

 

 

Sommerdiskurs 2009 der Universität Wien am Wolfgangsee

Dr. Julia Jungwirth

Bereits zum zweiten Mal fand der Sommerdiskurs der Sommerhochschule der Universität Wien, dieses Jahr unter dem Motto „Polis und Techne – Zur Steuerung von Systemwandel“, vom 6. – 8. August vor der charmanten Kulisse des Wolfgangsees statt. Univ.-Prof. Dr. Franz-Stefan Meissel, der Initiator und Organisator der Tagung, konnte wieder zahlreiche renommierte Vertreter aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen für einen fächerübergreifenden Austausch gewinnen. In – für die jeweilige anschließende Podiumsdiskussion Impuls gebenden – Vorträgen wurden Problemstellung und Lösungsansätze vorgestellt. Referenten der Veranstaltung waren: der Dekan der Fakultät für Geowissenschaften der Universität Wien und Direktor des Instituts für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie für Wissenschaften Univ.-Prof. Dr. Heinz Fassmann; der Arbeits- und Sozialrechtler Univ.-Prof. Dr. Robert Rebhahn; der ICT-Jurist Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó; der international renommierte Klima- und Energieforscher Univ.-Prof. Dr. Arnulf Grübler sowie die an der Universität Wien Methoden der Sozialforschung lehrende Politikwissenschafterin Univ.-Prof. Dr. Sylvia Kritzinger.

 

Am ersten Tag der Veranstaltung wurde das Publikum auf einem „nicht so glatten Parkett wie in Wien“ von Fassmann in den Themenbereich „Probleme der Raumordnung in Österreich – Vorschläge für eine Neuorganisation“ eingeführt. Dabei wurden Strukturprobleme – vor allem eine gewisse „föderale Unübersichtlichkeit“ und „mangelnde Koordination von übergreifenden Planungszielen“ – herausgearbeitet und anschließend im Plenum diskutiert. Univ.-Prof. Dr. Georg Lienbacher, der Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt, machte dabei auch auf Probleme im Vollziehungsbereich aufmerksam, während er das föderalistische Prinzip persönlich vehement verteidigte. Mag. Markus Seidl strich als Geschäftsführer der Österreichischen Raumordnungskonferenz die Komplexität der Materie heraus: Zielkonflikte würden das Problem der Effektivität ebenso erschweren wie die Tatsache, dass viele Steuerungsmechanismen von außen auf die Raumordnung wirkten. Raum-Forschung sollte daher verstärkt betrieben werden und – ausgehend von Analysen des Ist-Zustandes – längerfristiges und aufeinander abgestimmtes Planen ermöglichen. Dr. Astrid Kratschmann, Prokuristin der sBausparkasse berichtete von ihren Erfahrungen im Wohnbaufinanzierungsbereich. Sie bemängelte dabei terminologische Unterschiede bei den verschiedenen legistischen Aktivitäten der Gebietskörperschaften, da dadurch zB Statistiken mangels Einheitlichkeit nutzlos und für praktische Planung ungeeignet würden. Der Bürgermeister von St. Wolfgang und Bundesrat Johann Peinsteiner rundete die Diskussion mit seinen reichhaltigen Erfahrungen in der kommunalen und regionalen Raumordnungspolitik ab. Institutionalisierte Planungsverbände und die verstärkte Kooperation der Raumordnung mit anderen Fachbereichen (zB Naturschutz) kann als Grundkonsensus dieser spannenden Podiumsdiskussion ausgemacht werden.

 

Ähnliche strukturelle Probleme einer globalisierten Welt zeichneten sich beim Thema „Transformationen der Energiesysteme im Lichte des Klimawandels“ ab. Der an der Yale University lehrende Arnulf Grübler zeigte – anhand rezenter Studien des Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) – ein erschreckendes Bild der globalen Klimasituation auf: Entgegen anderslautenden öffentlichen Diskussionen sei der Klimawandel nachweislich nicht mehr aufzuhalten und anthropogen. Das Ziel der Europäischen Union, den Wandel auf 2 Grad Celsius einzudämmen, erscheint aus Sicht des Experten mehr als ambitioniert, müssten doch dafür bis spätestens 2080 weltweit die CO-2 Emissionen auf 0 % (!) reduziert werden. Ob und inwiefern der politische Wille zu einem Systemwandel dieser Größenordnung weltweit vorhanden ist, wird sich bei der Kyoto-Nachfolgekonferenz im Dezember dieses Jahres in Kopenhagen zeigen. Grübler machte jedenfalls deutlich, dass wir „schleunigst den Bereich der reinen Klimapolitik verlassen“ und gemeinsam mit der Ökonomie und anderen Einzeldisziplinen neue umsetzbare Strategien erarbeiten müssten.

 

Am zweiten Tag der Tagung stellte Robert Rebhahn den „Wandel im Gesundheitssystem – ideal und real“ dem Publikum als komplexe Materie vor. Mangels objektiver, umfassender Daten im Bereich „Gesundheitswesen“ (Stichwort Qualitätsberichte) sei eine seriöse Einschätzung des Öffentlichen Gesundheitssystems in Österreich kaum möglich. Intransparenz der Zahlungs- und Planungsebenen führen dabei zu weiteren Schwierigkeiten und konterkarieren eine klare längerfristige Planung. Ausgehend von einem solidarischen Finanzierungssystem proklamiert Rebhahn als Innovationsmodell den Grundsatz der „Trennung von Zahlern und Leistungsanbietern“. Während er den Wettbewerb im Sinne einer Risikoselektion auf der Finanzierungsseite ablehnt, spricht er sich für eine freiere Marksituation seitens der Leistungsanbieter aus. In der anschließenden Podiumsdiskussion waren einschlägige Experten aus verschiedenen Bereichen der Gesundheitsbranche vertreten: Dr. Helmut Ivansits (Leiter der Abteilung Sozialversicherungen der Arbeiterkammer Wien), Dr. Jan Oliver Huber (Generalsekretär von Pharmig, dem Verband der Pharmaindustrie Österreichs) und Dr. Martin Gleitsmann, Abteilungsleiter für Sozialpolitik und Gesundheit in der WKO, diskutierten dabei – nicht ohne ihre spezifische Interessenslage in den Vordergrund zu rücken – über den Reformbedarf im Gesundheitswesen. Dabei war eine bessere Aufklärung des Patienten (Stichwort „Patienteninformationsportale im Internet“) ebenso Thema wie Einsparungsmöglichkeiten durch strukturelle Verbesserungen sowie durch verstärkten Wettbewerb auf der Anbieterseite.

 

Mit dem Vortrag „Einatmen. Ausatmen. Vom Schutz der Intimität im elektrischen Zeitalter“ schloss Nikolaus Forgó thematisch an das Thema des Vormittags an: Anhand der sogenannten elektronischen Gesundheitskarte führte Forgó dem Publikum mit den dramaturgischen Fertigkeiten eines gelernten Drehbuchautors vor, was es bedeutet, wenn Technik und Recht im Bereich des Internets (noch?) nicht zusammen zubringen sind. Die – legislativ bereits 2005 festgemachte, jedoch praktisch bis dato noch nicht umgesetzte – Einführung von ELGA (des elektronischen Gesundheitsakts für jeden Patienten) fand unabhängig von einer notwendigen Diskussion über datenschutzrechtliche Konzepte und deren juristischer Umsetzung statt. Vielmehr bleiben immer noch ganz grundsätzliche Fragen, wie die Ausfüllung des Begriffes der „personenbezogene Daten“, weiterhin unklar. Forgó machte überdies deutlich, dass diese (ohne rechtliche Rahmenbedingungen zu erwartenden) Informationsasymmetrien im Sinne eines „Markets for Lemons“ dazu führe, dass immer mehr schlechte Qualität am Markt bleibe. Die technische Komplexität schaffe dabei ein Recht ohne Juristen. Außerdem kritisierte Forgó fehlende rechtswissenschaftliche und gesamtgesellschaftliche Begleitung der Materie „Internet“ und führe neben mangelnder Transparenz zu weiteren – aus heutiger Sicht vielleicht gar nicht abschätzbaren - gesellschaftspolitischen Problembereichen. Datenschutz werde immer noch (bzw immer mehr?) als Störfaktor in einer Welt der technischen Innovation und demokratischer Informationszugänge wahrgenommen. Der vielfach Augen öffnende Fingerzeig eines unangepassten IT-Juristen führte auch in der Diskussion zu grundsätzlichen Fragen über Reglementierungsbedarf und Grundrechten im Internet.

 

Abgerundet wurde der Sommerdiskurs 2009 am letzten Tag von Sylvia Kritzinger mit ihrem Vortrag zu „Innovation und Governance: der Einfluss von Interessen“. Sie versuchte mit ihrem theoretischen Modell einen politikwissenschaftlichen Bogen über Steuerungsmechanismen zu spannen. Policy Modi – als Begriff der Politikwissenschaft, der die unterschiedliche Ausgestaltung von Steuerungsinstrumenten bezeichnet – können und werden bereits von vornherein von den Interessen der Akteuren gesteuert und unterscheiden sich je nach den Interessen der Akteure einerseits und den verfahrenstechnischen Strukturen im Governance-Prozess andererseits. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit dem Rektor der Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler und Dr. Michael Stampfer, dem Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, wurden diese theoretisch vorgestellten Aspekte anhand universitätspolitischer Steuerungsprozesse und im Lichte der Geschichte der Forschungsförderung in Österreich seit 1945 aus praktischer Sicht deutlich.

 

Der Sommerdiskurs war von spürbarem Diskussions- und Interaktionsinteresse getragen und kann als große Bereicherung für alle Teilnehmer und deren spezifisches Fachgebiet verbucht werden. Als wichtiger Schritt in Richtung notwendiger Vernetzung der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wurde damit dem Generalthema „Steuerung von Systemwandel“ Rechnung getragen. Brisanten aktuellen gesellschaftspolitischen Themen wurde dabei im offenen Diskurs mit ehrlicher Auseinandersetzung begegnet. Dabei wurde deutlich, dass die Naturwissenschaften bzw. die Technik einerseits und deren Steuerung bzw. legistische Reglementierung andererseits gegenwärtig als zwei getrennte Blöcke nebeneinander stehen. Einigkeit herrschte – sozusagen als roter Faden des Sommerdiskurses 2009 - dahingehend, dass in futuro gerichtete Planungsziele in allen Einzeldisziplinen diese Trennung überwinden müssten und dabei nicht Halt bei fachspezifischen und nationalen Grenzen machen dürften. Da Problemlösungsansätze unserer globalisierten Gesellschaft immer auch von Variablen beeinflusst sind, die aus ursprünglich anderen Fachgebieten stammen, erscheint eine stärkere Vernetzung und Kooperation auf politischer, aber auch auf wissenschaftlicher Ebene dringend geboten.  

 

Die Aspekte „Interdisziplinarität“, „Internationalität“ und das Andenken „neuer Wege bei der Erarbeitung aktueller Themenbereiche“ die Rektor Winckler bei der heurigen 60-Jahr-Feier der Sommerhochschule als deren besonderes Zukunftspotential hervorstrich konnten in den offenen und modernen Diskussionen des Sommerdiskurses als Markenzeichen der Veranstaltung ausgemacht werden.

Als Generalthema des für Anfang August 2010 geplanten dritten Sommerdiskurses nannte Initiator Meissel „Komplexität und Verantwortung“.

Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2009 in Strobl am Wolfgangsee

Mag. Heidemarie Mendel

 

Der in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfindende Sommerdiskurs der Universität Wien aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2009 befasste sich mit dem Thema „Polis und Techne – Zur Steuerung von Systemwandel“. Ausgewiesene Experten und maßgebliche Führungskräfte sprachen zu hochaktuellen Themen wie Raumordnung, Energiepolitik, Gesundheitssystem und Datenschutz. Die anschließenden Diskussionen gestalteten sich dank der hochkarätigen und interessierten Teilnehmer als überaus erkenntnis- und gewinnbringend.

Den ersten Vortrag hielt Univ.-Prof. Dr. Heinz Fassmann, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Stadt- und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Vorsitzender der Integrationsplattform der Republik Österreich, Professor für Angewandte Geographie, Raumforschung und Raumordnung an der Universität Wien, Dekan der Fakultät für Geowissenschaften zum Thema „Probleme der Raumordnung in Österreich – Vorschläge für eine Neuorganisation“.
Er stellte fest, dass die Kompetenzverteilung in Fragen der Raumplanung, die zwischen dem Bund, den Ländern, der Gemeinde und der Europäischen Union aufgeteilt ist, viele Unklarheiten und damit Konflikte mit sich bringt. Nach Fassmann solle die österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) mit eindeutigen Kompetenzen ausgestattet werden. Als wichtig in diesem Zusammenhang erachtet Fassmann weiters die terminologische Vereinheitlichung, die zur Vereinfachung und besseren Auseinandersetzung mit den verschiedenen Raumordnungsmaterien führen würde.
Die anschließende Podiumsdiskussion brachte weitere interessante Facetten zum Thema der Raumordnung zu Tage. So merkte Univ.-Prof. Dr. Georg Lienbacher (Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt) an, dass seiner Ansicht nach die meisten Probleme im Vollzug zu finden seien. Mag. Markus Seidl (Geschäftsführer der österreichischen Raumordnungskonferenz) wies darauf hin, dass viele Steuerungsmechanismen von außerhalb der Rechtsordnung kämen, so etwa durch den Finanzausgleich zwischen den Gebietskörperschaften. Dr. Astrid Kratschmann, Leiterin der Abteilung „Wohnbau CEE, Recht und Öffentlichkeitsarbeit“ der S-Bausparkasse, bereicherte schließlich die Diskussion mit Fakten aus der Immobilienfinanzierung aus Perspektive der Banken. Sie führte aus, dass mehr als die Hälfte der österreichischen Bevölkerung in Einfamilienhäusern lebe, im Burgenland sogar etwa 80 %. Die Kredite für Wohnraum seien nach Kratschmann auch volkswirtschaftlich zu begrüßen, da das eigene Haus die Eigeninitiative vermehrt fördert und damit energiesparendes Wohnen und Renovierungen begünstigt. Der Bürgermeister von St. Wolfgang und Bundesrat Johannes Peinsteiner rundete die Diskussion mit einem Einblick in seine praktische Tätigkeit im Rahmen von Raumordnungsfragen ab.

Den Nachmittagsvortrag am Donnerstag hielt Univ.-Prof. Dipl.Ing. Dr. Arnulf Grübler, Mitglied des International Panel on Climate Change (IPCC), Wissenschafter am International Institute for Applied System Analysis (IIASA) und Professor an der School of Forestry and Enviromental Studies der Yale University.

Unter dem Thema „Transformationen der Energiesysteme im Lichte des Klimawandels“ behandelte er vielfältige Fragen im Zusammenhang mit der kommenden Erderwärmung.
Als ein Faktum hielt Prof. Grübler fest, dass der Klimawandel jedenfalls nicht mehr aufzuhalten sei. Dies ist ein Resultat der unzureichenden Maßnahmen gegen die Schadstoffproduktion innerhalb der letzten zwanzig Jahre. Selbst wenn die Emissionen ab nun auf 0 reduziert werden würden, könne mit einer Erwärmung um 1,5 Grad im Jahr gerechnet werden. Bei Beibehaltung von Emissionsausscheidungen in den Luftraum müsse man mit einer Erwärmung bis zu 7,5 Grad rechnen. Gerade die Erkenntnisse der neuesten wissenschaftlichen Literatur haben nach Grübler gezeigt, dass die Klimaentwicklung noch dramatischer sein wird als bisher angenommen. So werden wohl, sollte es nicht zu drastischen Folgen der Klimaveränderung kommen, „irgendwann die Kohlenstoffausscheidung, ja Emissionen gänzlich verbannt werden müssen.“ Dies betreffe auch die Entwicklungsländer.
Die in Entwicklungsländern lebenden Menschen können nach Grübler überhaupt als die Hauptbetroffenen der bereits um 0,8 Grad im Jahr eingetretenen Klimaerwärmung gesehen werden. Aber auch der Kapitalstock an den reichen Küstenstädten werde nach den durchgeführten Studien massiv betroffen sein.
Das von den EG angestrebte Ziel der Begrenzung der Erwärmung auf 2 Grad, welches ein politisches, auf Kompromissen aufbauendes Ziel sei, könne dann mit einer 1/3 Chance erreicht werden, wenn bis spätestens 2080 weltweit Null-Emissionen im Energiesektor verwirklicht seien. Bei kurzlebigen Technologien, so wie beispielsweise Kraftfahrzeugen, könne freilich länger gewartet werden, um die Emissionen auf Null zu reduzieren, nicht aber bei den langfristigen.
Als wichtige Erkenntnis kann aus Grüblers Vortrag mitgenommen werden, dass zur Abwendung der drastischen Folgen der Erderwärmung der „Bereich der reinen Klimapolitik verlassen werden muss“. So sei noch viel Aufklärungsarbeit im Feld der Effizienzsteigerung in Haushalten und der Ernährungsgewohnheiten zu leisten.
In erneuerbare Energien sollte nach Grübler vorrangig und mehr investiert werden als in die Entwicklung von Kernenergie. Auch mit den weiteren Vorschlägen zur Emissionsbeschränkung beschäftigte sich der Vortrag Grüblers. Das Modell des Carbon Capture and Storage ist durch seine ihm innewohnende Gefahr belastet, dass der Kohlenstoff austreten könnte. Denn die hätte zur Folge, dass sich ein riesiger See bilden würde, in welchem alle Lebewesen erstickten. Der Umstieg auf Biomasse hingegen würde extreme Veränderungen in der Landwirtschaft nach sich ziehen. Der Umstand, dass C2 für die Bauern wichtig sei, würde die Biomasse verteuern. Als weitere Alternativen nannte Prof. Grübler die Möglichkeit von Energiegewinnung durch Solartechnologie in der Wüste, wofür allerdings Wasser nötig wäre und die Leitung von Schwefel in die Stratosphäre, welche den Himmel allerdings statt in himmelblau in grau-gelb zeigen würde.
Die weitere Entwicklung bleibt jedenfalls spannend, denn als nächster Fixpunkt im Bereich der Klimadiskussion ist im Dezember 2009 in Kopenhagen eine weitere internationale Konferenz zur Frage der Reduktion von Emissionen geplant. Im Anschluss an Kyoto soll dort auch die wichtige Frage diskutiert werden, in wie fern und auf welche Art die Entwicklungsländer in die Emissionsreduktion einzubeziehen sein werden.

Univ.-Prof. Dr. Robert Rebhahn eröffnete den zweiten Tag des Diskurses mit seinem Vortrag zum Thema „Wandel im Gesundheitssystem – ideal und real“.
Er kritisierte die mangelnde Transparenz in der Bewertung des österreichischen Gesundheitssystems. Während in anderen Staaten objektive und öffentlich einsehbare Daten über die Leistungen der Krankenhäuser existieren, fehlen in Österreich Informationsquellen für Patienten, um sich über die medizinischen Leistungen in Spitälern genauer informieren zu können.
Weiters gibt es nach Rebhahns Ausführungen zu hohe Ausgaben im Gesundheitsbereich. Diese seien zurückzuführen auf den hohen Anteil stationärer Behandlungen und schlechte Koordination zwischen stationärem und ambulantem Bereich. Strukturprobleme seien der Grund für die Reformbedürftigkeit des Gesundheitswesens, wie etwa die „Defensivmedizin“, der übersteigerte Umsatzdrang und das Fehlen nationaler Gesundheitsziele in Österreich. Als Eckpunkte für ein Reformprogramm nannte Rebhahn unter anderem umfassende Informationsmöglichkeiten über die Leistungen der Gesundheitsinstitutionen, eine staatliche Vorsorge für wesentliche Leistungen und die Schaffung eines Wettbewerbes auf Seiten der Leistungsanbieter.
In der Diskussion sprachen anschließend Dr. Helmut Ivansits (Leiter der Abteilung Sozialversicherungen der AK Wien), welcher feststellte, dass es an Qualitäts- und Pflegeberichten über die Spitäler fehle und Dr. Jan Oliver Huber (Generalsekretär Pharmig), welcher sich für ein solidarisches Sozialversicherungssystem aussprach. Auch die pharmazeutische Industrie habe nach Huber ein Interesse am Erhalt der Leistungsfähigkeit des Systems. Des weiteren führte Dr. Martin Gleitsmann als Abteilungsleiter der WKO (Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheitswesen) als Podiumsgast aus, dass das Kernproblem in der dualen Finanzierung durch Bund und Länder liege.

Am Freitagnachmittag befasste sich der an der Universität Hannover und in Wien lehrende Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó mit Fragen des Datenschutzes im elektronischen Umfeld. Sein Thema war „Einatmen. Ausatmen. Vom Schutz der Intimität im elektrischen Zeitalter“. Er berichtete von der Einführung der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA), welche 2005 eingeführt werden sollte, aber bis dato noch der juristischen Umsetzung und der Klärung der Datenschutzproblematik harrt. Forgó wies darauf hin, dass ganz allgemein im Recht des Datenschutzes diverse Unklarheiten bestehen, so etwa habe die Richtlinie 95/46/EG den Begriff der „personenbezogenen Daten“ geschaffen. In österreichischen DSG 2000 wird wiederum zwischen direkten und indirekten personenbezogenen Daten unterschieden. Im Bereich des Datenschutzes wird deutlich, dass im elektronischen Bereich, welcher sich als technisch komplex ausgestaltet herausstellt, die Techniker den Ton angeben. Ob diese Entwicklung hin zu einem Recht ohne Juristen, ohne rechtswissenschaftliche und gesamtgesellschaftliche Begleitung sinnvoll ist, kann nach Forgó jedenfalls bezweifelt werden.

Den Abschlussvortrag hielt Univ.-Prof. Dr. Sylvia Kritzinger, Leiterin des Fakultätszentrums für Methoden der Sozialwissenschaften an der Universität Wien zum Thema „Innovation und Governance: der Einfluss von Interessenten“. Sie warf zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit Policy Prozessen auf, etwa ob ihnen eine inhärente Logik innewohne, ob diese Logik zu bestimmten Ergebnissen führt und ob sie die Umsetzungsimplementierung der Ergebnisse von Policy Prozessen steuert. Am Beispiel der rezenten universitätspolitischen Reformen, wie etwa die Umstellung auf das Bologna System (die die Einführung von Bachelor-, Master- und PhD-Studium mit sich bringt) zeigte sie das Zusammenwirken von staatlichen und privaten Akteuren.
In der anschließenden Diskussion sprach der Rektor der Universität Wien, Univ.-Prof. Dr. Georg Winckler über seine eigene Wahrnehmung der von Kritzinger theoretisch erfassten Veränderungsprozesse im Bereich der Hochschulorganisation und regte eine „Dynamisierung“ des Modells an. Als weiterer Podiumsdiskutant gab Dr. Michael Stampfer, Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts- Forschungs- und Technologiefonds einen prägnanten Überblick über die Geschichte der Forschungspolitik und -förderung in Österreich.

Abgerundet wurde das Programm des diesjährigen Sommerdiskurses durch ein Kammerkonzert von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker und eine Lesung der Schriftstellerin Anna Mitgutsch. Nicht zuletzt trug die bildschöne Kulisse des Wolfgangsees mit der Möglichkeit des informellen Gedankenaustausches ihr Übriges zum großen Erfolg des Diskurses bei.

Sommerdiskurs aus Wirtschaft, Recht und Kultur 2009

Mag. Caroline Mokrejs

Raumplanung, Klimawandel, Gesundheitssysteme, Datenschutz sowie Governance waren die Themen des diesjährigen Sommerdiskurses der Universität Wien, der von 6.-8. August in Strobl am malerischen Wolfgangssee stattfand. Das Programm der Sommergespräche, die im Rahmen der Sommerhochschule der Universität Wien stattfinden und von Univ.-Prof. Dr. Franz Stefan Meissel ins Leben gerufen und geleitet werden, zeichnete sich auch dieses Jahr durch sein vielfältiges intellektuelles und kulturelles Angebot aus. Die angenehme Atmosphäre und die schöne Umgebung waren der ideale Rahmen für viele anregende Diskussionen.

 

Von der Neuorganisation der Raumplanung …

Der Eröffnungsvortrag mit dem Titel „Probleme der Raumordnung in Österreich – Vorschläge für eine Neuorganisation“ wurde von Univ.-Prof.Dr.Heinz Fassman, Professor für Raumplanung an der Uni Wien sowie Dekan der Geowissenschaftlichen Fakultät, gehalten. Nach einem informativen Überblick über die Geschichte der Raumplanung bzw –ordnung in Österreich, schilderte Fassmann die Problematik der „Querschnittsmaterie Raumplanung“, die nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung auf allen drei Ebenen – Bund,  Land, Gemeinde – zu finden ist, und machte in diesem Bereich einige interessante Vorschläge für einen „Systemwandel“ in der Raumplanung. So sei es nach Fassmann sinnvoll sich in den Raumordnungsgesetzen der einzelnen Bundesländer bundesweit auf zentrale gemeinsame Ziele zu einigen, ebenso wie auf eine einheitliche Terminologie, damit der Planungsmehrwert für die Allgemeinheit ausgeschöpft werden könne.
Im Anschluss an diesen anregenden Vortrag entfachte sich eine intensive Diskussion unter den Podiumsteilnehmern. So vertrat SL Univ.-Prof. Dr. Georg Lienbacher, der Leiter des Verfassungsdienstes im Bundeskanzleramt ist, vehement die Interessen des Föderalismus in Belangen der Raumordnung und sprach sich gegen eine Vereinheitlichung der Terminologien aus, da dies „kein Wert an sich“ sei. Mag. Markus Seidl, Geschäftsführer der Österreichischen Raumordnungskonferenz, betonte unter anderem die Vielfältigkeit der Steuerungsmechanismen in der Raumplanung, Prokuristin Dr. Astrid Kratschmann von der sBausparkasse schilderte interessante Facetten aus der sozialwissenschaftlichen Forschung zur Situation der Einfamilienhäuser in Österreich und den rezent feststellbaren Trend „hin zur Miete“ und Bundesrat Johannes Peinsteiner konnte als Bürgermeister von St. Wolfgang aus dem reichen Fundus seiner persönlichen Erfahrungen mit Raumplanung im kommunalen und regionalen Bereich schöpfen.

… über die Transformation unserer Energiesysteme …

"Transformationen der Energiesysteme im Lichte des Klimawandels" war der Titel des Vortrages von Univ.Prof. Dipl.-Ing. Dr. Arnulf Grübler, einem führenden Klimaexperten und unter anderem Professor an der Yale University und Mitglied des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change). Grübler legte den Schwerpunkt seiner Darstellungen auf die möglichen Maßnahmen gegen den Klimawandel und den dazugehörigen Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Gleich zu Beginn stellt der Klimaexperte – zur großen Betroffenheit des Publikums – fest, dass wir uns entgegen der allgemeinen Auffassungen zum Klimawandel, bereits in ebendiesem Prozess befinden. So ist die Temperatur weltweit um 0,8° angestiegen, eine Erwärmung auf 1,5° ist in den nächsten Jahren unvermeidlich. Es gehe somit nur mehr um eine Schadensbegrenzung, die EU hat sich als ambitioniertes Ziel die Beschränkung der Erwärmung auf 2° festgesetzt, dazu müssten aber in den nächsten Jahrzehnten die Emissionen weltweit drastisch gesenkt werden. Noch weitergehend sieht Grübler als einzige Lösung einen radikalen Systemwandel, nämlich die völlige Beseitigung von Emissionen aus unseren auf Kohle basierenden Energiesystemen, das bedeutet der kompromisslose Umstieg auf alternative Energien und vor allem Energiesparen durch Effizienzsteigerung. Es wurden auch einige Missverständnisse beseitigt, so führe die angebliche Verknappung fossiler Rohstoffe nicht automatisch zur Eindämmung des Klimawandels, sondern ganz im Gegenteil sind die Reserven an fossilen Brennstoffen noch groß genug, um die Erderwärmung ins Unvorstellbare zu steigern. Nach einer Darstellung von Wahrscheinlichkeitsszenarien zum Klimawandel und seinen Auswirkungen wurden auch die möglichen Maßnahmen zu dessen Eindämmung besprochen. Ein Verlass auf die Technologie sei höchst leichtsinnig, nur eine weltweite politische Zusammenarbeit, auch mit den Entwicklungsländern, mache den dringend nötigen Systemwandel sowie Steuerungsmechanismen für den Energiemarkt möglich. Wichtig sei jetzt in langfristige Technologien zu investieren, damit sind zB Häuser ohne Energieverbrauch gemeint, da ihre Entwicklung und Nutzbarmachung für die Bevölkerung jahrzehntelange Anlaufzeiten haben. Hingegen können kurzfristige Technologien, wie Hybridautos und ähnliche eher kurzlebige Güter, in wenigen Jahren entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Man müsse sich bewusst machen, dass eine reine Klimapolitik zwar nicht nutzlos ist, aber doch auf gewisse Bereiche beschränkt bleibt und nicht den erwünschten Erfolg herbeiführen kann, solange man nicht auch in anderen Politikbereichen – von etwaigen Regulierungen des Marktes über Probleme des Transports bis hin zu sozialen Fragen – Maßnahmen  ergreift. Andere Möglichkeiten zur Eindämmung der Emissionen wäre zum einen das Modell „Carbon Capture and Storage“, nach dem die Schadstoffe gefiltert und gelagert werden, wobei das Problem des mangelnden Lagerortes und die Gefährdung der umliegenden Bevölkerung der große „Pferdefuß“ dieser Maßnahme sind. Auch das Bauen von Solaranlagen in der Wüste kann zu einigen Problemen führen, sogar zu einer Beeinflussung der Sonneneinstrahlung und somit des Klimas in der Region führen. Die letzte Möglichkeit, um eine weitere gravierende Erwärmung zu verhindern, sei Schwefel in die äußerste Atmosphäre zu schießen, was die überschüssigen Sonnenstrahlen zurück ins Weltall reflektiert. Allerdings hat auch diese Maßnahme einen schwerwiegenden Nachteil, nämlich den Verlust des blauen Himmels, der notwendigerweise zu einem gelbgrauen werde.

… sowie zum Wandel des österreichischen Gesundheitssystems …

Am zweiten Tage des Sommerdiskurses hielt Univ.-Prof.Dr. Robert Rebhahn, Professor für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien, einen Vortrag mit dem Titel „Wandel im Gesundheitssystem – Ideal und Real“ zur Lage der Krankenkassen- und Versorgungssituation in Österreich. Aufgrund von außer Acht gelassenen Strukturfragen sei etwa die Gefährdung bei Operationen deswegen zum Teil unnötig hoch, weil in manchen Krankenhäusern einfach die „Übung fehle“. Nach Einschätzung der Patienten ebenso wie im internationalen Vergleich wird das österreichische Gesundheitssystem als qualitativ hochwertig angesehen, es überrascht allerdings doch, dass es keine objektiven Daten gibt, die das belegen können. Höchst problematisch ist nicht nur die Fragmentierung von „Zahlern und Planern“, das heißt von Kostenträgern und Leistungserbringern, sondern auch die völlige Intransparenz von Fonds und Zahlungsströmen, die eine klare Planung erschweren. Als Hauptgründe für eine Reformnotwendigkeit sieht Rebhahn die schlechte Koordination von stationärer und ambulanter Behandlung und die daraus resultierende Fehlallokation der Patienten, sowie jene Strukturprobleme, die zu einer paradoxen Situation – Überversorgung neben Mangel – führen. Mögliche Reformmaßnahmen seien zum einen die Transparentmachung des Systems, dh umfassende Information der Patienten, sowie die staatliche Vorsorge für wesentliche Leistungen, ein Wettbewerb unter den Leistungsanbietern und eine neue Form der Finanzierung bzw der Organisation der Krankenkassen.
An der ebenfalls sehr belebten Podiumsdiskussion nahmen Dr. Martin Gleitsmann, Abteilungsleiter der WKO für Sozialpolitik und Gesundheit, Dr. Jan Oliver Huber, der Generalsekretär der Pharmig, und Dr. Helmut Ivansits, Leiter der Abteilung Sozialversicherungen der AK Wien, teil. Huber betonte in der Diskussion sein Befürworten des solidarischen Sozialversicherungssystems sowie das Interesse der pharmazeutischen Industrie am Erhalt der Leistungsfähigkeit eben dieses Systems, und sprach sich für das Festsetzen von Gesundheitszielen in Österreich aus, an denen es hierzulande im Gegensatz zu anderen Ländern mangle. Gleitsmann sah das Hauptproblem in der Finanzierung und stellte fest, dass es an Kommunikation und Koordination fehle. Die Frage nach dem grundlegenden Veränderungsziel stellte Invansits für den auch die fehlenden Qualitäts- und Pflegeberichte ein Missstand sind.

… hin zu Datenschutz und E-Health-Systems …

Datenschutz und E-Health-Systeme waren das Thema des eindrucksvoll strukturierten Vortrages von Univ.-Prof.Dr. Nikolaus Forgó, Professor für IT-Recht und Rechtsinformatik an der Universität Hannover, mit dem ungewöhnlichen Titel „Einatmen. Ausatmen. Vom Schutz der Intimität im elektrischen Zeitalter“. Nicht nur sei es erschreckend leicht, Personaldaten von beliebigen Menschen aus dem Internet zu bekommen, vermeintlich seriöse Gesundheitsplattformen wie „Google Health“ oder „23andme“ erleichtern die Verbreitung von hochsensiblen Gesundheitsdaten einzelner Personen, wobei datenschutzrechtliche Regelungen außeracht gelassen werden. Forgó stellt fest, dass die E-Health-Systeme ein sog „market for lemons“ sind, Informationsassymetrien führt letztendlich dazu, dass nur mehr Waren schlechter Qualität am Markt vertrieben werden. Auch in Österreich ist das Datenschutzrecht dem Stand der Technik nicht mehr angepasst, es fehlt an rechtswissenschaftlicher Bearbeitung sowie an Regulierungen. Die ständig wachsende Komplexität der Technologie führt zu einem „Recht ohne Juristen“.

… bis zur Governance and Innovation.

Der Vortrag von Univ.-Prof.Dr. Sylvia Kritzinger beschäftigte sich mit „Innovation und Governance“ im Besonderen mit den theoretischen Grundlage politikwissenschaftlicher Modelle von „Governance“-Mechanismen. Anschauliche Skizzen zeigten den „Weg“ von Regulierungsmaßnahmen im Staat, seien sie nun bindend oder nicht bindend, sowie die diversen Einflüsse bis zum Ergebnis. In der anschließenden Podiumsdiskussion sprachen Univ.-Prof.Dr.Georg Winckler, Rektor der Universität Wien, und Dr. Michael Stampfer, der Geschäftsführer des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, zu „Governance“ bzw Regulierungsmechanismen in der Universitätspolitik sowie im Bereich der Forschungsförderung.

Abgesehen von den zahlreichen interdisziplinären Anregungen, die die Vorträge und die anschließenden Diskussionen mit sich brachten, fehlte es auch heuer nicht an kulturellem Angebot. Am Abend des ersten Tages fand in Strobl ein Kammerkonzert mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker statt und auch am Tag darauf konnten die TeilnehmerInnen der Lesung der österreichischen Schriftstellerin Anna Mitgutsch beiwohnen. Einen angenehmen Ausklang fand der Sommerdiskurs Samstag Abend beim Konzert von „Irishsteirisch“ im Rahmen der 60-Jahr-Feier der Sommerhochschule der Universität Wien.

Die malerische Umgebung im Salzkammergut und die hochkarätigen Vortragenden haben den Sommerdiskurs auch dieses Jahr zu einer Veranstaltung mit vielfältigsten intellektuellen und kulturellen Anreizen gemacht. Die belebten Diskussionen mit Experten verschiedenster Bereiche boten die Möglichkeit im Rahmen der angenehmen Atmosphäre dieser Sommergespräche ein wenig „über den Tellerrand hinauszuschauen“ und viele Anregungen daraus mitzunehmen.

Als Thema des ins Auge gefassten dritten Sommerdiskurses der Sommerhochschule der Universität Wien Anfang August des nächsten Jahres wurde „Komplexität und Verantwortung“ von Initiator Meissel genannt.